Abschlussfragen an J.L.
Welches Kapitel hat Dir am besten gefallen?
Mir hat das achte Kapitel, der filmreife Showdown – Auxilio Lacouture rettet gemeinsam mit den Dichtern Ernesto San Epifánio und Arturo Belaño einen Lehrling aus den Fängen des im Hotel Glücksklee residierenden Stricherkönigs – am besten gefallen. Das passiert mitten in DF, in der Wüste von Guerrero, die das Pendant zur Wüste von Sonora bei Santa Teresa ist (»2666«). Doch der Alptraum nimmt ein gutes Ende.
Wenn man über Kapitel spricht, dann noch Folgendes: die Übergänge zwischen den einzelnen Kapiteln finde ich sehr gelungen, es ist wie ein Reigen. Nur zwischen Kapitel 11 und 12, da knirscht es ziemlich, finde ich. Man kommt beim Lesen aus dem Elften nicht so richtig ‚raus, in das Zwölfte nicht so richtig ‚rein; Bolaño braucht recht viele Sätze für diesen Übergang.
Welche Figur ist Dir Nahe gegangen?
Etwas zur Hauptfigur, wenn sie es denn überhaupt ist: Auxilio Lacouture ist in meinen Augen ein Faktotum, und zwar in zweierlei Hinsicht. Sie ist ein dienendes und zugleich aufdringliches Wesen, das ein großes Herz hat, sich aber dadurch, dass es sich und seine Taten ständig in Relation zu bedeutenderen Figuren setzt, wichtiger nimmt, als es objektiv ist.
Mein Verdacht ist, Bolaño wollte sich mit »Amuleto« vor allem an seine Jugend inmitten der jungen Dichter erinnern, der Jugend Lateinamerikas und letztlich ihrer Hoffnungslosigkeit ein literarisches Denkmal setzen. Auxilio Lacouture dient ihm dabei auch als Faktotum, sie ermöglicht Bolaño eine ironisch-kritische-liebenswerte Sicht auf Belano, auf sein und der anderen jungen Dichter Tun. (Bolaño kann sich erinnern, ohne dass es peinlich wird.) Ich finde, »Amuleto« ist ein sehr ironisches Stück Literatur, ein gelungenes.
War das Tempo, die Einteilung in einzelne Tage, besser oder schlechter als bei den Wochenplänen der vergangenen Leserunden?
Es war eine interessante Erfahrung, täglich etwas abliefern zu müssen, sich an die Vorgabe mit einer gewissen Disziplin zu halten. Für den Umfang von »Amuleto«, die relativ kurzen Kapitel, und für den Zeitraum von 14 Tagen ist das ok.
Wo rangiert Amuleto für Dich im Gesamtwerk Bolaños?
Mir kommt alles, also auch »Amuleto«, wie übendes Warmlaufen für »2666« vor…
Jürgen Lübeck hat seine Notizen zu Amuleto auch noch einmal sehr interessant für seinen Blog aufbereitet: arabesken.juergen-luebeck.de
One Response to “Abschlussfragen an J.L.”
JL: „Ich finde, »Amuleto« ist ein sehr ironisches Stück Literatur, ein gelungenes.“
Das finde ich auch.
Sogar das herausragende 8. Kapitel will im Nebenton ironisch-selbstironisch gelesen sein.