Ein etwas provokatives Zwischenfazit
Ein anderes, etwas provokatives Zwischenfazit
Im Folgenden handelt es sich um einen Versuch. Ich bin ja noch nicht fertig mit dem „Lumpenroman“.
Wenn es um Lumpen geht, ist oft weder die Form noch der Inhalt viel wert. Lieber Günter, meinst du im „Lumpenroman“ sei die Form das „Geheimnis“ seiner Poesie? Ich glaube nicht, jedenfalls bis jetzt, bis Kapitel 7 noch nicht. Die „Leichtigkeit“, von der du sprichst, verdankt sich auch, sicher nicht nur, aber auch der Banalität des Inhaltes. Die Fähigkeit die Form den Inhalt anzugleichen besticht mich allein noch nicht. „Samstag und Sonntag waren die schlimmsten Tage, weil wir vier dann alle zusammenhockten und nichts zu tun hatten.“ So ist es. Der Satz ist genau so langweilig wie sein Inhalt.
Du schreibst, die „Entschlüsselbarkeit (würde) verhindert“. Das setzt voraus, dass der Text ein Geheimnis hätte, etwas in in diesen Teppich Eingewobenes.(s. Henry James „The figure in the Carpet“) Ich glaube das nicht. Ich glaube, wir müssen bei diesem Teppich auch eher an einen Lumpenteppich denken. Herauszufinden wäre, ob einen solchen Teppich zu machen Poesie sein kann und in diesem Fall auch ist.
Du zitierst zwei Sätze, von denen du meinst, dass sie einen „eigenen Ton“ hätten. Beide Sätze rufen für mich Bilder hervor, die ganz nett sind. Mehr aber auch nicht.
Wenn überhaupt, hat für mich nur der ganze Absatz, der an dem ersten Satz hängt, einen eigenen Ton. Und dieser Absatz gehört für mich auch zu den stärkeren Textpassagen: „In so einem Fall sprang ich wie von der Feder gelassen aus dem Bett, lief zurück ins Wohnzimmer, machte einem der Freunde meines Bruders ein Zeichen (übrigens ohne mich darum zu kümmern, ob er mich sah) und nahm ihn mit in mein Zimmer, wo wir vögelten, bis ich einschlief und so wenigstens von anderen Dingen träumen konnte.“ Dieser Satz, es ist ja nur einer, gefällt mir. Hier kommt im Zusammenspiel von Form (auch Sprache) und Inhalt etwas hinzu, was ich Poesie nennen möchte. Auch wenn dies dann eher traurig stimmt.
Bezüglich der so genannten „Anspielungsschichten“ habe ich auch so meine Zweifel. Ich glaube, das eine oder andere, was uns so einfällt, hat wenig mit dem Roman zu tun. Hier lauert wohl auch die Gefahr, ihm Inhalt zu geben, wo er keinen hat.
Ein Literaturkritiker hat seine heute in der Zeitschrift „Literaturen“ erschienenen Rezension mit folgendem Absatz beendet: „Gewiss werden sich Kritiker finden, die den ‚Lumpenroman‘ für sein virtuoses Spiel und die Kühnheit preisen werden, mit denen er Erwartungshaltungen des Lesers unterläuft. Der Rezensent hingegen hat darin nur einen einzigen Satz gefunden, dem er vorbehaltlos zustimmen kann: ‚Ich kann ganz ohne Ironie sagen, dass ich mich langweile.'“
Der Rezensent hat seine Rezension unter der Frage geschrieben: „Ist das Weltliteratur?“ Um festzustellen, ob Bolano mit dem „Lumpenroman“ so genannte Weltliteratur geschrieben hat, braucht es natürlich nicht der vorbehaltlosen Zustimmung dieses Rezensenten zu möglichst vielen Sätzen dieses Romans. Der Rezensent stellt letztlich nicht die richtige Frage bzw. geht ihr nicht wirklich nach. Nämlich der Frage: Ist diese Langeweile das Ergebnis des Zusammenwirkens einer kunstvollen Form mit einem Blick Bolanos für den ihr angemessenen Inhalt? Hat er ein Auge für das Langweilige des Lebens und weiß er ihm die entsprechende Form zu geben? Dieser Frage würde ich gerne noch näher nachgehen. Wenn ich sie mit Ja beantworten könnte, bliebe das Buch trotzdem langweilig. Aber auf eine wunderbare Weise.
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