Lumpenroman-Verfilmung

Schon bald kommt auch in Deutschland die erste Bolaño-Verfilmung in die Kinos. Am 12. September bringt RealFictionFilme die Adaption des „Lumpenroman“ mit dem Namen „Il Futuro“ raus und hat mir einige Informationen und einen ersten Trailer zur Verfügung gestellt:
Die beiden Teenager Bianca und Tomás leben nach dem Unfalltod ihrer Eltern als Waisen in Rom. Mit kleinen Jobs halten sie sich neben der Schule über Wasser. Ihre Situation verkompliziert sich noch, als zwei Freunde von Tomás aus dem Fitnessstudio bei ihnen einziehen. Zusammen planen sie aus Geldnot, den in die Jahre gekommenen blinden Bodybuilder und ehemaligen B-Picture-Helden Maciste auszurauben. Dazu soll Bianca ihn besuchen, ihn verführen und sein Vertrauen gewinnen.
Doch Bianca fängt an den charismatischen Maciste zu mögen und denkt immer weniger an ihren ursprünglichen Plan.
Synopsis
Die Eltern von Bianca und Tomás sind bei einem Autounfall gestorben. Ihre Eltern emigrierten vor einigen Jahren aus Chile nach Italien. Ohne Unterstützung der Familie sind Bianca und Tomás nun in Rom auf sich alleine gestellt. Sie bleiben in der Familienwohnung und versuchen, ihr tägliches Leben so gut es geht fortzusetzen. Sie gehen zur Schule, treffen sich mit ihren Freunden und tun so, als hätte sich nichts geändert.
Seit dem Tag des Unfalls erscheinen Bianca die Nächte nicht mehr dunkel. Alles ist von einem verstörenden Licht beleuchtet und sie weiß nicht, ob dies ein übernatürliches Phänomen oder eine psychische Störung ist. Sie kann nachts nicht mehr schlafen. Sie und Tomás müssen sich nun um Jobs kümmern, um sich über Wasser zu halten. Bianca fängt an, in einem Frisörsalon zu arbeiten, Tomás putzt in einem Fitnessstudio. Eines Tages bringt Tomás zwei Freunde aus dem Fitnessstudio mit nach Hause – ein Libanese und ein Italiener aus Bologna, die in das Schlafzimmer der Eltern einziehen.
Alle vier sitzen nun vor dem Fernseher, teilen den Alltag und schmieden Pläne für die Zukunft. Bianca schläft mit beiden, verliebt sich aber in keinen von ihnen.
Aber das Geld reicht nicht aus und als Tomás gefeuert wir, kommen die beiden Freunde mit einem Plan, der ihnen alle Geldsorgen nehmen soll. Sie wollen einen alten und blinden Bodybuilder, den sie Maciste nennen, ausrauben. Er hat in früheren Zeiten in billigen Helden-B-Pictures Hercules und Samson gespielt und eben auch eine Filmfigur, der er nun den Namen Maciste verdankt. Er bewahrt sein Vermögen in seinem Haus in einem Safe auf, weil der den Banken nicht traut. Um an sein Geld zu kommen, soll Bianca eine Beziehung zu Maciste aufbauen. Sie soll ihn besuchen, sein Vertrauen gewinnen, mit ihm schlafen und dabei herausfinden, wo sein Geld versteckt ist. Sie fühlt sich als Kriminelle und nicht als Prostituierte, deshalb willigt sie ein. Tatsächlich gewinnt sie sein Vertrauen und geht bald in seinem großen dunklen und labyrinthischen Palast ein und aus. Immer, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, wandert sie durch das Haus und versucht, den Safe zu finden. Aber Woche um Woche vergehen und ihre Suche bleibt erfolglos. Tomás und seine Freunde werden ungeduldig und werfen Bianca vor, sich in Maciste verliebt zu haben.
Nach einem weiteren Fehlschlag auf der Suche nach dem Geld, beschließt Bianca Maciste zu verlassen und die Freunde aus der Wohnung zu schmeißen. In der Nacht danach wird es zum ersten Mal nach dem Unfall wieder dunkel und Bianca kann schlafen.
Regiestatement
Seit ich Bolaños Una Novelita Lumpen (Lumpenroman) gelesen habe, verfolgten mich zwei Sachen: die packende und steife Erzählstimme Biancas, die wie eine erwachsene Frau die Geschichte ihrer unsicheren Zukunft erzählt. Sie erzählt mit einer solch absoluten Klarheit, dass sie sogar die komischsten Seiten der Tragik offenbaren kann.
Zweitens war ich von der Handlung fasziniert. Unwahrscheinlich, verdreht, zeitgenössisch. Eine Geschichte, die aus Resten billiger Filme und Romane aufgebaut ist; eine Waise, die sich für die Idee zweier muskulöser Charmeure prostituiert, ein blinder Schauspieler, der seinen Reichtum in einem Tresor aufbewahrt, zwei arme Kinder, die von ihrer Zukunft träumen.
Der Film, wie auch der Roman, spielt im heutigen Rom. Die chilenischen Waisen werden am Rand dieser unmöglichen Stadt Rom ihrem Glück überlassen, am Rand europäischer Dekadenz. So beginnen sie, auf ihre bizarre Art zu trauern und begeben sich auf dieses tollpatschige, gefährliche und irgendwie lächerliche Abenteuer.
Der Film könnte aber auch eine neue Folge der Maciste-Saga sein. Eine Folge, in der der Held etwas gealtert ist und das hilflose Mädchen ihre Rettung selber finden muss. Vielleicht keine triumphierende Rettung, aber eine durch die sie überlebt, um ein neues Abenteuer zu beginnen.
Regisseurin Alicia Scherson
Biographie
Alicia Scherson wurde 1974 in Santiago de Chile geboren. Nach ihrem Biologiestudium absolvierte sie ein Regiestudium an der Escuela de Cine de Cuba, EICTV. 1999 erhielt sie ein Stipendium für die Universität in Illinois, Chicago, wo sie das Studium mit einem Master of Arts abschloss.
Ihr Debütfilm PLAY wurde in Chile verfilmt und hatte während des Tribeca Film Festivals seine Uraufführung, wo er den Preis für die beste Regiearbeit erhielt. Der Film erzielte große Kritikerresonanz und erhielt weitere 14 Preise auf internationalen Festivals, unter anderem dem Montreal Films du Mond, Karlovy Vary, La Habana und Indie Lisboa. PLAY hatte außerdem eine große Kinoauswertung in Europa und Lateinamerika. Ihr zweiter Spielfilm TURISTAS lief in der Sektion Tiger Competition während des Internationalen Film Festivals Rotterdam 2009.
Sie lebt in Santiago de Chile, wo sie an der Universidad de Chile unterrichtet.
Im August 2011 begann sie mit den Dreharbeiten zu IL FUTURO – EINE LUMPENGESCHICHTE IN ROM, der am 12. September 2013 in die deutschen Kinos kommt.
Und hier der Trailer:
Auf Kino-Zeit.de findet sich bereits eine erste deutsche Besprechung des Films, die schon recht neugierig macht:
…In großen, goldenen Lettern knallen dem Zuschauer die „opening credits“ entgegen. Und dann das: „Rutger Hauer als Maciste“. Ohje, denkt man da sofort, in was für einem Film sitze ich hier bloß? Die Antwort ist einfach: in einem der eigenartigsten Trashfilme des Jahres, der eine Menge Spaß verspricht; vorausgesetzt, man ist betrunken, bekifft oder leidet unter massivem Schlafentzug…
…Doch halt, der Film ist keinesfalls ein schlechter, The Future ist vielmehr einfach nur konsequent. Worin? Im Wiederbeleben eines tot geglaubten und gerade wiederentdeckten (Sub)Genres: dem Giallo-Film…
One Response to “Lumpenroman-Verfilmung”
Mich hat „Il Futuro“ ziemlich begeistert, vielleicht ist der Film sogar besser als der „Lumpenroman“ in Buchform. Der Regisseurin ist es sehr gut gelungen, den Erzählton Bolaños in Bilder zu fassen und die Hauptdarstellerin Manuela Martelli ist eine Wucht – selbstbewußt und total präsent.